Tonerde in verschiedenen Farben, Urucum-Samen, Piassava-Fasern – Die Vielfalt an Naturmaterialien, die im Amazonas seit Jahrtausenden zu Alltagsgegenständen verarbeitet werden, ist schier unendlich. Aus ihnen entstehen Korbwaren, gebrannte Keramikgefäße, Matten, Sitzbänke, Schmuck und vieles mehr. Objekte, die die kulturelle Vielfalt der Region widerspiegeln und neben ihrem praktischen Nutzen auch einen immensen ästhetischen Wert haben. Die handgeflochtenen Körbe und handgeformten Gefäße dienten den Menschen nicht nur Jahrtausende lang zur Aufbewahrung und Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, sondern kommen bis heute auch im Zusammenhang mit traditionellen Festen und Ritualen zum Einsatz.
Basierend auf der “Philosophie des stehenden Waldes”, über die wir in dieser Serie bereits berichtet haben, geht es auch bei der Förderung von traditionellem Kunsthandwerk aus Naturmaterialien darum, die Wälder als lebende Organismen zu begreifen und ihre Artenvielfalt durch die Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen zu stärken.
Dieser Mission hat sich seit 2005 das frauengeführte Kunsthandwerkszentrum Casa Wariró mitten in São Gabriel da Cachoeira verschrieben. Sein Ziel ist es durch die Vermarktung von traditionellem Kunsthandwerk aus Naturfasern die kulturelle Identität der 24 Völker des Rio Negro-Beckens zu bewahren und gleichzeitig nachhaltige Praktiken der Ressourcennutzung und -verarbeitung zu unterstützen. Damit leistet die Initiative einen wichtige Beitrag, dieses Wissen, welches wurde über Generationen weitergegeben wurde, bis heute zu erhalten.
Auch Rosângela Fidelis vom Volk der Baré ist überzeugt: Die Förderung solcher Handwerke bietet wirtschaftliche Chancen für indigene Gemeinschaften, stärkt ihre Selbstbestimmung und trägt zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung bei.
Die junge Frau vom Volk der Baré leitet das 2005 ins Leben gerufene Kunsthandwerkszentrum und setzt sich für die faire Bezahlung der Künstler:innen ein. Die Casa Wariró soll wie ein Zuhause für sie sein und ihnen die Möglichkeit bieten, ihre handgefertigten Produkte in einem professionellen Rahmen zu vermarkten.
Seit ihrer Gründung setzt sich die Initiative vor allem für die Stärkung von Frauen ein und vermarktet vorwiegend Produkte. die von indigenen Kunsthandwerker:innen aus dem Rio Negro-Becken stammen. Vor allem die Herstellung von Keramik gilt am Rio Negro seit jeher als weibliche Kunst. Die Casa Wariró unterstützt gemeinsam mit der FOIRN auch die generationenübergreifende Weitergabe des traditionellen Wissens zwischen Frauen in Form von Workshops. Damit leistet sie einen Beitrag zur Stärkung der finanziellen Unabhängigkeit und zur Gleichstellung der Geschlechter.
Heute sind zwar auch Männer in den Prozess eingebunden und stellen traditionelle Waren wie Tukano-Bänke oder Korbwaren her, Frauen gelten jedoch nach wie vor als Hauptzielgruppe.
Doch die Initiative hatte es nicht immer leicht. 2014 fiel das Kunsthandwerkszentrum Brandstiftern zum Opfer und musste in mühseliger Arbeit, unter anderem mit Hilfe der Unterstützung durch das Klimabündnis, wieder aufgebaut werden. Mehrere Jahre war die Casa Wariró danach in einem abgelegenen Gebäude in der Nähe des damaligen Sitzes der FOIRN angesiedelt. Internationale Förderungen, auch von Seiten des BMK, ermöglichten jedoch eine Restauration des alten Sitzes im Zentrum von São Gabriel da Cachoeira und dessen Neueröffnung im Dezember 2023.
Mit neuem Elan hofft die Casa Wariró nun, in Zukunft neben Kunsthandwerk auch veredelte Lebensmittel wie das Chilipulver Pimenta Baniwa oder Trockenfrüchte vermarkten zu können und damit noch mehr nachhaltigen Initiativen aus der Region als Plattform zu dienen.