Unsere neue Rio-Negro-Koordinatorin
Kerstin Plaß folgt auf den leider kürzlich verstorbenen Hans Kandler. Im Interview stellen wir sie vor.
Sie ist ein Naturmensch und am liebsten mit ihren beiden Hunden draußen unterwegs. Draußen ist im Fall von Kerstin Plaß Innsbruck. Sie lebt in einem alten Haus unterhalb der Nordkette. Wenn sie aus dem Fenster blickt, dann schaut sie ins Stubaital und auf den Patscherkofel. Wir schauen mit ihr auf ihre neue Aufgabe als Koordinatorin der Rio-Negro-Partnerschaft.
Wenn du an den Amazonas-Regenwald denkst, was fällt dir dazu als Erstes ein?
Kerstin Plaß: Riesige Bäume, eine unbeschreibliche Artenvielfalt und unvorstellbare Entfernungen. Vor einigen Jahren war ich im Regenwald in Venezuela – in der Nähe zu unserem Partnergebiet. Es ist wie ein anderes Universum. Das Leben findet noch in der Gemeinschaft statt, frisches Essen wird vor Ort geerntet und verarbeitet. Fasziniert haben mich auch die vielen Insekten, die in den schillerndsten Farben geleuchtet haben.
Du trittst in die großen Fußstapfen von Hans Kandler. Wie sehr prägt er auch deine Arbeit?
Kerstin: In jedem Gespräch mit unseren Partnerinnen und Partnern spürt man die unglaubliche Wertschätzung, die sie ihm entgegenbringen. Er war enorm wichtig für die ganze Region. Hans hat den gemeinsamen Prozess, der zu einer Professionalisierung der Strukturen geführt hat, entscheidend mitgeprägt. Maßgeblichen Anteil hat er auch an der Stärke der Frauenvereinigungen am Rio Negro. Es ist schade, dass wir auf diesen riesigen Erfahrungsschatz jetzt nicht mehr zurückgreifen können. Er hinterlässt ein Erbe, das es mit Respekt, Engagement und viel Liebe weiterzuverfolgen gilt.
Was begeistert dich am Thema Klimagerechtigkeit?
Kerstin: Klimagerechtigkeit und der Schutz der indigenen Rechte beschäftigt mich seit meinem Studium „Latin American Studies“. Besonders inspirierend ist das Konzept des Sumak Kawsay/Buen Vivir, welches uns auch innerhalb des Klimabündnis als zentrale Richtschnur für die Vision einer nachhaltigen Zukunft dient und die Kosmovisionen vieler indigener Völker stark prägt. Ich habe mich auch intensiv mit der Regenwaldabholzung durch die Soja-Industrie in Brasilien und Argentinien und der daraus entstehenden Bedrohung natürlicher sowie menschlicher Lebensräume auseinandergesetzt. Meine Masterarbeit verfasste ich zur subalternen Darstellung Indigener im argentinischen Dokumentarfilm. Im Zuge meiner Recherchen verbrachte ich damals auch viel Zeit in den indigenen Communities.
Die Partnerschaft mit der FOIRN läuft seit über 30 Jahren. Wohin geht die gemeinsame Reise?
Kerstin: Die politischen Rahmenbedingungen sind derzeit besonders indigenenfeindlich. Goldschürfer dringen in Schutzgebiete ein und illegale Rodungen nehmen leider weiter zu. Wir müssen versuchen, unsere Partnerorganisation zu stärken, ihren Weg weitergehen zu können. Zwei große Projekte laufen derzeit. Einerseits stärken wir den lokalen Handel und das Kunsthandwerk. Indem wir die gesamte Lieferkette nach dem Fairchain-Prinzip ausrichten, erhöhen wir den Anteil der Wertschöpfung von Produkten wie dem Pimenta Baniwa, welcher in der Region bleibt. Zum anderen geht es um den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Solarbetriebenes Internet gibt es schon zu einem großen Teil und es gibt Ideen zur Entwicklung eines solarbetriebenen Ausflugsboots, um den Tourismus vor Ort nachhaltiger zu gestalten.
Worauf legst du den Schwerpunkt bei der Zusammenarbeit mit den Klimabündnis-Gemeinden?
Kerstin: Wir müssen die Kommunikation stärken und unseren Gemeinden den Rio Negro noch näher bringen. Das gelingt, in dem wir noch mehr erzählen, was wir und unsere Partnerorganisation FOIRN im Rahmen der Klimabündnis-Partnerschaft alles machen. Und es gelingt durch den persönlichen Austausch. Im Herbst ist wieder eine Delegationsreise nach Österreich geplant.
Warst du selbst schon einmal am Rio Negro?
Kerstin: Nein, noch nicht. Im April oder Mai soll es aber so weit sein, wenn die Pandemie es zulässt. Am meisten freue ich mich schon, in die Dörfer zu fahren und die Lebensrealität unserer Freundinnen und Freunde kennenzulernen. Dieser Perspektivenwechsel ist extrem spannend und lehrreich.
Danke für das Interview.
Wenn Sie Fragen an unsere Rio-Negro-Koordinatorin haben, dann schreiben Sie ihr.